Gruß dir, heilige Mutter, du hast den König geboren, der in Ewigkeit herrscht über Himmel und Erde. - Sedulius
Der Lebensfluss:
Erschöpft erreichte ein Wanderer das Ende des Geröllfeldes, durch das er 2022 gegangen war. Bewusst setzte er den ersten Schritt auf den nun beginnenden Almboden des kommenden Jahres. Endlich geschafft! Was lag nicht alles hinter ihm? So viele Steine, über die er bald gestolpert oder auf denen er ausgerutscht wäre. Wie eine Verheißung lag dieser zwar karge, aber doch grüne Almboden vor ihm. Das konnte ja nur noch besser werden. Da stellte sich ihm der Senn in den Weg. „Was soll das?“ protestierte der Wanderer, „ich will weiter und bin so froh, dass ich all das hinter mich gelassen habe!“ Der Senn zog ihn etwas abseits des Weges und bat ihn, noch einmal zurück zu schauen. Und siehe da, die Steine, über die der Wanderer so mühsam gegangen war, sie fingen im Licht der Abendsonne an zu glänzen und sahen fast wie kostbare Bergkristalle aus. Staunend stand der Wanderer vor diesem Naturschauspiel und begriff, dass alles, was ihm so schwer gefallen war, in seinem Leben kostbar ist, und außerdem hatte er die schönen Erlebnisse vergessen: den kleinen Bergbach, der ihn erquickt hatte; die Gebirgsblume, die mitten im Geröll erblühte und nicht zuletzt die Aussicht, die er immer wieder auf dem Weg genossen hatte. Und wie er so da stand und staunte, da bahnte sich wie aus heiterem Himmel auf einmal ein kräftiger Gebirgsstrom, der sich im letzten Gewitter, das oben am Berg niedergegangen war, gebildet hatte, den Weg ins Tal und schwemmte den ein oder anderen Stein auf den Almboden. Da sagte der Senn: „Siehst Du, es hat sich gelohnt zurückzuschauen, denn egal wo du hingehst: Du nimmst dich und dein Leben immer mit bis es hineinfließt in die Ewigkeit. Dort sammelt sich dein Leben wie ein unendlich kostbarer Schatz. Und nun geh unter dem Segen: Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.“
Gebet:
Gott, in dieser Zeit, wo Sonn und Jahr sich wenden, halten wir uns Dir hin. Nimm du uns mit all unseren Gedanken, Sehnsüchten und unserem Vertrauen auf dich an und schenke uns dein Heil. Darum bitten wir durch Jesus Christus, unseren Herrn und Bruder.
Segen:
Möge Gott dir im neuen Jahr
mehr Zeit schenken
zu danken als zu klagen.
Mögen deine Freuden nach Tagen,
aber dein Kummer nach Stunden zählen.
Mögen die Zeiten selten sein,
an denen du deine Freunde entbehrst,
und kurz die Augenblicke
in der Gesellschaft von Dummköpfen.
Mögen alle Tränen des kommenden Jahres
Tränen der Freude sein.
(irischer Segenswunsch)
Impuls:
Das Jahr 2022 scheint für viele von uns in der Empfindung ein nie enden wollendes Geröllfeld gewesen zu sein, durch das man sich durchgekämpft hat. Sicherlich sind Ihnen in Ihrem persönlichen Leben aber auch im Weltgeschehen so manche Geröllsteine in Erinnerung. Was wir aber verständlicherweise oft bei solchen Erlebnissen vergessen, dass es etwas abseits vom Geröllfeld in engen Klüften öfters Bergkristalle zu finden gibt. Ja, Krisen erweisen sich in der Reflexion immer wieder auch als Schatzfundstellen. Und auch die Lichtblicke, die es auf solchen Wegen gibt, sollten wir im Gedächtnis behalten. Wer über Geröllfelder geht, dem offenbaren sich auch immer wieder atemberaubenden Ausblicke. Und Gott sei Dank gibt es nach Geröllfeldern die Almböden oder Almen, auf denen man seltene Pflanzen bestaunen, sich sonnen und ausruhen kann. So mögen wir auf Gottes Wegen mit seinem Weggeleit in das neue Jahr gehen, uns auf wunderbare Aussichten und die kleinen Wunder am Wegesrand freuen und sein Seil immer in griffnähe haben, damit er uns sicher führen möge.