Interview mit Priesterkandidat Andreas Hahne – die ersten 150 Tage im Amt
Seit dem 1. August 2021 ist Andreas Hahne für zwei Jahre als „Pastoralpraktikant“ im Kaller Bereich bei Domkapitular Pfr. Hans-Joachim Hellwig in unserer GdG Hl. Hermann Josef Steinfeld tätig, nachdem er im Sommer sein Studium in Sankt Georgen (Frankfurt) und Brixen (Südtirol) als Magister theologiae abgeschlossen hat. Er ist 37 Jahre alt, stammt aus Düren, liebt das Wandern, Volleyball und Musik. Vor seinem Theologiestudium hat Andreas Hahne in Aachen Informatik studiert und in einer Kölner Beratungsfirma über 7 Jahre berufliche Erfahrungen gesammelt.
Die Katastrophe ereignete sich zwei Wochen vor meinem eigentlichen Start und ich habe mich gefragt, ob ich direkt hinfahren sollte, ob ich etwas tun könnte. Man hat mich aber gebeten, nicht vorzeitig zu kommen. Ende Juli erfolgte mein Umzug nach Kall. Am Sonntag, dem 1. August 2021, wurde ich im Gottesdienst den Besuchern offiziell vorgestellt. Das war der erste Kontakt mit der Kirchengemeinde gleich an meinem ersten Arbeitstag. Ansonsten hieß es für mich zunächst: Umzugskisten auspacken. Gerne hätte ich sofort in der Gemeinde angepackt, aber das war kaum möglich, da alle mit sich selbst beschäftigt waren. Also blieb mir nichts anderes übrig als „abwarten und gucken, ob man etwas tun kann“.
Es gab sehr viele interessante, oft spontane Begegnungen, sowohl mit Hauptamtlichen, die mich alle sehr offen aufgenommen haben, als auch mit Ehrenamtlichen und Gemeindemitgliedern, die mich sehr freundlich begrüßt und empfangen haben.
Neu waren für mich die Messdienergruppen als erstes Kontaktfeld. Hier habe ich den Unterschied zu der Arbeit in einer fusionierten GdG (Gemeinschaft der Gemeinden) gespürt. Drei Kirchengemeinden = drei ganz unterschiedliche Messdienergruppen. Enorm viel Spaß hat mir die Organisation der Messdienerfahrt im November gemacht. Und kürzlich fand die Vorbereitung der neuen Messdiener*innen statt. Ich merke schon, immer wieder sind die Messdiener*innen mein Thema. Generell finde ich das Arbeiten mit Kindern und Jugendlichen eben ein wichtiges Thema in unserer Kirche.
Reinwachsen muss ich auf jeden Fall in neue liturgische Bereiche. So habe ich im September beispielsweise bei einer Wallfahrt nach Michelsberg eigenverantwortlich einen Wortgottesdienst geleitet. Es war der zweite öffentliche WGD für mich in dieser Rolle! Das war schon etwas Besonderes.
Auch die Spendung der Krankenkommunion bringt neue Erfahrungen. Es ist immer wieder eine große Herausforderung, da diese Besuche nicht komplett planbar sind. Hier kommt in der jeweiligen Situation viel Neues und Unvorhersehbares auf mich zu. Neue Örtlichkeit, neue Menschen, neue Situation, neue Begebenheit … eben immer wieder anders.
Oh, es gab so viele Eindrücke im letzten halben Jahr... Vielleicht die feierliche Christmette an Heiligabend. Das war in der Tat sehr motivierend.
Wie unterschiedlich die Tage sind. Ich darf und muss in dieser Phase meine Arbeit ziemlich frei gestalten.
Zunächst einmal muss man wissen, dass meine Arbeit kein Job in Vollzeit ist. Ich habe viele Ausbildungstage und -wochen in Aachen oder anderen Orten. Daher gibt es keinen „typischen“ Arbeitstag. Ansonsten gab es gerade am Anfang viel „Mitlaufen“ mit Pastor und das Kennenlernen von relevanten Abläufen.
Zudem habe ich die Möglichkeit, Dinge neu mitentwickeln zu dürfen oder auch Sachen auszuprobieren wie z.B. die Videoimpulse in der Adventszeit. Auch dafür finde ich Zeit in meinem Alltag. Viel Freude macht natürlich das Vorbereiten von Gottesdiensten und Predigten. Auch die Zeit fürs stille Gebet ist zum Glück noch da.
Die Begegnungen mit Menschen, die unterschiedlichen Gespräche und Situationen!
Nö.
Momentan ist es teilweise recht schwierig, in meine eigentliche Rolle reinzufinden. Meine Kolleginnen in der Ausbildung (Pastoral- und Gemeindeassistentinnen) machen jetzt mehr oder weniger das, was sie später auch machen werden z.B. Firmvorbereitung. Ich werde später als Diakon und dann als Priester arbeiten. Da kommen ganz andere Aufgaben und Tätigkeiten auf mich zu.
Mein Job habt mir bis zum Schluss Spaß gemacht, aber dennoch fehlt mir die Arbeit nicht. Nur die früheren Kolleginnen und Kollegen vermisse ich manchmal.
Eine ganze Menge: die Herangehensweise an Aufgaben und Prozesse, ein strukturiertes Vorgehen, meine Erfahrungen aus der Leitung von Projekten, das kreative Arbeiten, die Teamleitung und manchmal auch meine IT-Kenntnisse - besonders jetzt in der Corona-Phase.
Wenn nur noch etwa die Hälfte der Deutschen Mitglied in einer Kirche ist, muss man schon sagen, dass wir eigentlich nicht mehr von einer Volkskirche sprechen können. Vieles verändert sich dadurch und wird sich noch viel stärker verändern. Ich denke aber, dass es dadurch zukünftig auch eine größere Vielfalt geben kann, die Gelegenheit, Dinge auszuprobieren und zu schauen, wie sich der Glaube, die Botschaft vom Evangelium neu und anders vermitteln lässt.
Es wird entscheidend sein, nach den Menschen zu gucken, die ein Bedürfnis nach Gott und Glaube spüren oder einfach unsere Zuwendung brauchen. Wir müssen für alle ansprechbar sein, müssen den Menschen einen Zugang zu Gott ermöglichen und dürfen nicht nur die Sonntagsmesse im Blick zu haben. Kirche ist mehr. Dazu ist es aber auch wichtig, dass wir die Missbrauchsfälle aus der Vergangenheit tiefgreifend aufklären und die Prävention zunehmend ins Bewusstsein rücken. Und am Thema Geschlechtergerechtigkeit führt kein Weg vorbei, so meine Überzeugung.
In Deutschland finden wir in der Tat eine reiche Situation vor, die mit anderen Ländern nicht vergleichbar ist. Das ermöglicht natürlich eine breite karitative Arbeit. Gleichzeitig ist aber auch die Gefahr da, den Blick auf das Wesentliche zu verlieren. Was ist die Botschaft des Evangeliums? Haben wir die immer im Blick? Oder verlieren wir uns manchmal in Strukturen?
In meine Rolle reinfinden. Als Priesterkandidat wird man von den Menschen anders beobachtet als andere Mitarbeiter. Da muss man wohl ein bisschen aufpassen, sich nicht zu verstellen, sondern authentisch zu bleiben.
Corona wird so langsam zäh und scheint noch kein Ende zu nehmen. Ich wünsche mir, dass bald wieder VIELES möglich sein wird, worauf wir jetzt verzichten müssen. Und natürlich freue ich mich sehr auf die Diakonenweihe.
Wir danken Andreas Hahne, dass er sich für dieses Interview Zeit genommen hat. Das Interview führte Maria Mattes (Verwaltungskoordinatorin des Kirchengemeindeverbandes).