Hinter die Kulissen geschaut: Die Glasmalerei Oidtmann in Linnich

Collage Oidtmann (c) P. Wieslaw Kaczor
Collage Oidtmann
Datum:
Mo. 9. Nov. 2020
Von:
gdg steinfeld

Das Unternehmen Oidtmann arbeitet hin und wieder für die GdG-Steinfeld, so etwa geschehen in St. Stephanus in Sistig.

Stefan Oidtmann vor blauen Glasmustern (c) P. Wieslaw Kaczor
Stefan Oidtmann vor blauen Glasmustern
P. Wieslaw Kaczor, Leiter der GdG Steinfeld, stattete der Firma in Linnich einen Besuch ab und machte sich ein Bild von den Arbeiten vor Ort.
 
Linnich. „Es war ein schwieriges Jahr, Entscheidungen wurden spät getroffen, Aufträge wurden reduziert oder ganz auf Eis gelegt“, sagt Dr. Stefan Oidtmann, als er gedanklich das Jahr 2020 Revue passieren lässt. Corona sorgte dauerhaft für Schlagzeilen und damit auch für tiefe Einschnitte in Handwerksbetrieben. Gemeinsam mit seinem Vetter Heinrich Oidtmann leitet Stefan Oidtmann die älteste Glasmalerei Deutschlands mit Sitz in Linnich in der Rurdorfer Straße 9. Bei den beiden Geschäftsführern handelt es sich bereits um die fünfte Generation. Mit Michael Oidtmann und Heinrich Oidtmann jun. Steht bereits die sechste Generation im Startloch. In der Regel sind die derzeit rund 25 Mitarbeiter der Firma Oidtmann weltweit unterwegs. Doch auch das verhielt sich in 2020 ganz anders. Stefan Oidtmann: „Das Auslandsgeschäft war komplett zu. In Island, wo wir sehr viel arbeiten, bauten wir Fenster aus und restaurierten sie. Doch immer noch sind die Fenster nicht wieder eingebaut.“ Was die Corona-Zeit weiter mit sich bringt: Flüge sind derzeit richtig teuer. Oidtmann: „Der Umsatz ist gesunken, aber wir hoffen, dennoch nicht ganz so schlecht das Jahr abschließen zu können. Wir hatten in 2020 ein paar Tage Kurzarbeit und haben uns von einem zum nächsten Auftrag gehangelt.“
 
Viele Auslandsaufträge kommen von Island und Irland. In einem Ortsteil von Dublin wird derzeit eine Kirche restauriert, auch die renommierte Glasmalerei aus Linnich ist vor Ort. Die Verbindung nach Island erwuchs aus einer Verbindung mit einer Künstlerin bereits vor Jahrzehnten. Inzwischen entstanden zu den Menschen auf der kleinen Insel tiefe Freundschaften. Stefan Oidtmann kommt ins Schwärmen, berichtet er von der Lockerheit und der Gastfreundschaft der Isländer: „Die Pastöre dort sprechen oft fantastisch Deutsch, da viele von ihnen in Heidelberg studiert haben. Für die isländischen Architekten gilt Ähnliches, viele von ihnen haben in Aachen studiert. Beim isländischen Bischof gibt es von ihm selbst zubereitete Lammkeule und Fisch, alles komplett freundschaftlich und unkompliziert.“ Doch gerade auch in Deutschland sorgt und sorgte die Firma Oidtmann bereits für unzählige Referenzobjekte, seit mehr als 150 Jahren.
 
Egal ob am Dom zu Xanten, Köln oder Aachen, an Kirchen wie die Schlosskirche in Schleiden, an St. Stephanus in Sistig oder auch St. Josef in Schevenhütte, an der Sanierung, Aufarbeitung und Neugestaltung von Fenstern in vielen Hundert Kirchen und Klöstern sowie weiteren Gebäuden war die Firma Oidtmann aus Linnich bereits beteiligt. So kamen auch die Fenster für die Burg Hohenzollern aus Linnich, und zwar in der Zeit von 1858 bis 1863. „Dabei“, sagt Stefan Oidtmann, „ist der Markt aktuell groß, fast zu groß. In Deutschland gibt es rund 100 Firmen, die sich der Glasmalerei und der Kunstglaserei widmen.“
 
Was die Firma aus Linnich auszeichnet, so der Geschäftsführer: „Wir sind Problemlöser und bieten ein Komplettpaket, vom Gerüstbauer, Klempner, Putzer und Anstreicher bis hin zur Reinigung ist bei uns alles mit dabei.“ Natürlich gingen und gehen auch Künstler in der Rurdorfer Straße 9 ein und aus: So etwa Gerhard Richter, Ludwig Schaffrath, Johannes Schreiter, Wilhelm Buschulte, Hubert Spierling; weiter Otmar Alt, Ernst und Georg Jansen-Winkeln, Georg Meistermann, Markus Lüpertz, Kurt Lewy und mehrere Hundert weitere namhafte Glasgestalter.
 
Gegründet wurde die Firma Oidtmann laut einer Rechnung aus dem Jahr 1857 am 6. Dezember. Die Rechnung über einige bemalte Gläser ging damals an den Glasmeister Kobecke aus Linnich. Ausgestellt hatte das Dokument Heinrich Oidtmann I. (1838 bis 1890). Der Firmengründer studiere Chemie und Medizin. Ihm gefielen die bunten Reagenzgläser und er beschäftigte sich zunehmend mit dem Werkstoff Glas. Er arbeitete sich in die Historie ein sowie in die Entwicklung seriell herstellbarer Glasmalereien. Zu Beginn der 1860er Jahre gelang es ihm, mit der Technik der Lithographie Vorlagen auf Glas zu übertragen. Der Handel mit den nunmehr kostengünstigen Scheiben in Glassteindruck sorgte für einen steilen Aufstieg unseres Unternehmens. Heinrich Oidtmann I. gründete Filialen in Brüssel und Berlin und beschäftigte 100 Mitarbeiter, als Heinrich Oidtmann II., ebenfalls von Beruf Arzt, den Betrieb 1890 übernahm. Heinrich Oidtmann III. starb früh, so dass seine Frau Ludovika die Firma durch die Zeit des Zweiten Weltkrieges führen musste. Nach dem Krieg sorgten Ludovikus und sein Bruder Fritz Oidtmann mit ihrem Fachwissen zum einen für den Wiederaufbau der Firma als auch für den Wiederaufbau der Kirchen, Klöster und weitere Bauten im In- und Ausland.
 
Die fünfte Generation nun ist ebenfalls vom Fach: Stefan Oidtmann ist Glasmaler und Architekt, zudem Sachverständiger für die Handwerkskammer für Glas- und Porzellanmalerei. Sein Vetter Heinrich Kunstglasermeister. Oberste Priorität hat im Hause Oidtmann die Erhaltung des Gegebenen. Stefan Oidtmann: „Substanz retten, nicht Substanz zerstören ist unsere Devise.“ Gerade jetzt, in der dunklen Jahreszeit, leuchten die Kirchenfenster – von innen beleuchtet – oft wie herrliche Laternen. Spätestens dann wird sichtbar, bei genauerer Betrachtung, um was für eine enorme Arbeit es sich bei diesen Glasmosaiken handelt. Die Auswahl des Farbtons, der exakte Zuschnitt, das Bleinetz – alles Arbeiten, die im Hause Oidtmann mit viel Ruhe und Können von statten gehen. Ein Lieblingsfenster hat Stefan Oidtmann nicht, aber trotzdem kommt er ins Schwärmen: „Es gibt so viele schöne Fenster, mal was Neues, Modernes, mal etwas Restauriertes. Was ich daran liebe: Die Kreativität, die unser Beruf fordert, man muss immer erfinderisch sein und Lösungen suchen. Wir brauchen viel Vorstellungsvermögen, um das Richtige und Beste aufzuspüren.“
Stefan Oidtmann an einem der großen Arbeitstische (c) P. Wieslaw Kaczor
Kirchenfenster, zur Restaurantion in Linnich (c) P. Wieslaw Kaczor
Stefan Oidtmann im kirchenhohen Arbeitsraum der Firma (c) P. Wieslaw Kaczor
Heinrich Oidtmann (c) P. Wieslaw Kaczor
Stefan Oidtmann (li.), P. Wieslaw Kaczor (c) P. Wieslaw Kaczor
gelbes Glas (c) P. Wieslaw Kaczor
historisches Bleinetz aus dem Kölner Dom (c) P. Wieslaw Kaczor
Stefan Oidtmann (c) P. Wieslaw Kaczor
Mitarbeiter der Firma Oidtmann beim Bleiauftragen (c) P. Wieslaw Kaczor
im Sekretariat (c) P. Wieslaw Kaczor
Mitarbeiter der Firma an einem der vielen Fenster (c) P. Wieslaw Kaczor
Innenhof der Firma Oidtmann in Linnich (c) P. Wieslaw Kaczor